Nicht eingeloggt - Anmelden

Welchen Zustand soll der Bodensee künftig haben?

Das Dialogforum 'See und Fisch' wurde durchgeführt, weil es zwischen verschiedenen Interessen- und Nutzergruppen am Bodensee verschiedene Sichtweisen gibt, welchen Zustand der See zukünftig haben soll, um die verschiedenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Konsensformulierung

Im dritten Dialogforum wurde dazu folgender Konsens formuliert:

Zielzustand des Bodensees

Mit einem P-Wert von 10 mg/m3 als Folge des derzeit praktizierten Abwassermanagements im Bodensee können die meisten Nutzergruppen leben. Aus Sicht des Trinkwasserschutzes ist als Puffer gegen externe Einflüsse ein möglichst naturnaher P-Gehalt anzustreben.

Die unterschiedlichen Sichtweisen

Im folgenden sind die Sichtweisen verschiedener Gruppierungen dargestellt, wie sie von den jeweiligen Vertretern im Dialogforum geäußert wurden.

Es gehört zum Wesen eines Dialogforums, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ad personam in dieser Runde zusammensitzen und versuchen, ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Es handelt sich daher bei den folgenden Statements nicht um eine abgestimmte Meinung einer bestimmten Berufs- oder Interessengruppe, sondern um die Meinungen der beteiligten Personen, die ihre jeweilige Gruppe im Dialogforum vertreten.

Die Sichtweise der Berufsfischerei

Wir Berufsfischer sind der Natur und dem Bodensee verbunden und freuen uns, dass der See wieder „sauber“ ist. Veränderungen im See werden in der Regel von der Berufsfischerei festgestellt. Mittlerweile sind die Wachstumsprozesse im See aufgrund des zu niederen Phosphatgehaltes und diverser anderen Veränderungen gestört. Der gesamten Nahrungskette und damit auch den Fischen fehlt dadurch, ohne seltene gravierende Hochwasserereignisse, die Grundlage für Wachstum. Dies hat auf Dauer gravierende Folgen für den Bodensee – nicht nur für die Fischerei, sondern auch für den Bodensee als Naturparadies, als Erholungsgebiet und in der Folge auch für den Tourismus und am Ende geht das regional hochwertige Produkt der Bodensee-Wildfisch verloren.

  • Für den Bodensee sollte dauerhaft einen Phosphatwert von mind. 10-15 mg/m3 angestrebt werden, der ultraoligotrophe Zielzustand ist abzulehnen.

  • Der Bodensee ist und war immer ein Voralpensee, dies sollte umgehend korrigiert werden, die Veränderungen des Rheinzulaufes wurden von Menschenhand vollzogen.

  • Der Bodensee sollte auch in Zukunft Touristen und Bewohner der Region ausreichend mit Wildfisch versorgen können. Wildfisch aus Seenfischerei besitzt den besten biologischen Fußabdruck und benötigt keine unnötigen Energieaufwände und keine Futtermittel.

  • Die Mehrheit der derzeit aktiven Berufsfischer sehen in der Aquakultur auf Felchen nicht die alleinige Lösung, um die finanzielle Situation, den Erhalt und damit die Probleme der traditionellen Berufsfischerei zu verbessern.

Die Sichtweise der Angelfischerei

  • Wir Angelfischer sind für einen naturbelassenen See mit sauberem Wasser, mit einem guten Fischbestand.

  • Die Naturverlaichung der Fische und die Renaturierungen in den Uferbereichen sind zu fördern.

  • Kein gezieltes Zuführen von Nährstoffen, um den Fischertrag zu steigern. Keine Aquakultur im Bodensee, um die Wildfische zu schützen.

  • Wir wollen Schonzeiten und Schonmaße für alle Fischarten, für eine gesunde Alters- und Größenpyramide bei allen Fischarten.

  • Der Angeltourismus ist ein wichtiger Faktor für die regionale Wertschöpfung. Er soll durch entsprechende Angebote und Infrastrukturen unterstützt werden.

Die Sichtweise des Gewässerschutzes

  • Für die Sauerstoffversorgung des grundnahen Wasserkörpers mit mindestens 4 mg/l, auch bei schlechter Durchmischung des Sees, liegt der Zielwert der Phosphorkonzentration im Freiwasser des Sees bei ca. 10 mg/m³.

  • Die P-Werte der vergangenen Jahre zeigen die Trägheit, mit der der See auf externe Einflüsse reagiert. Niemand kann voraussagen, wohin sich der P-Wert in den nächsten Jahren entwickelt. Die Reaktion des Gewässers muss beobachtet werden.

  • Es sind keine Verschärfungen bei der P-Einleitung über die heutigen Anforderungen hinaus geplant, auch nicht wenn sich der P-Wert wieder in Richtung 10 mg/m³ bewegt.

  • Da nicht vorausgesagt werden kann, wie sich die Ökologie des Bodensees in Zukunft entwickeln wird, kann jedoch einer Lockerung der heutigen Phosphoranforderungen nicht zugestimmt werden.

siehe ausführliches Dokument

Die Sichtweise des Trinkwasserschutzes

Phosphatmanagement:

Für die Trinkwasserversorgung ist die Beschaffenheit des Bodenseewassers an den Entnahmestellen entscheidend. Diese befinden sich meist in einer Tiefe von ca. 40 bis 60 m und ca. 10 m über Grund. Die Wasserqualität wird daher sowohl von oberflächen- als auch von sedimentnahen Strömungs-/Mischungsverhältnissen und physikalisch/chemischen Wechselwirkungen geprägt. Ohne einen entsprechenden Tiefenwasseraustausch im Frühjahr, verbunden mit einer ausreichenden Sauerstoffanreicherung am Seegrund, sind unerwünschte Remobilisierungs- und Rücklösungsprozesse aus dem Sediment nicht auszuschließen. Bereits heute, in Zeiten einer geringeren Durchmischung der Wasserschichten und der damit einhergehenden Abnahme der Sauerstoffkonzentration über Grund konnte die Zunahme unerwünschter Stoffe im Tiefenwasser (z.B. Mangan, Phosphat, andere Halbelemente / Schwermetalle) festgestellt werden, die bei einem ausreichenden Sauerstoffgehalt an Feststoffe gebunden sind.

Unter der Annahme, dass der zukünftig zu erwartende Klimawandel zu einer Erwärmung des Wassers führen und den Tiefenwasseraustausch beeinträchtigen kann, ist daher jeder Versuch, die Phosphatkonzentration im Bodensee zu erhöhen, abzulehnen, da diese den Sauerstoffgehalt über Grund negativ beeinflussen kann. Aus Sicht der Trinkwasserversorgung ist als Puffer gegen externe Einflüsse ein naturnaher P-Gehalt des Bodensees anzustreben.

Aquakultur:

Im Gegensatz zu den landseitig betriebenen Felchenzuchtanlagen mit einer effizienten Abwasserbehandlung sehen sich die Wasserversorgungsunternehmen beim Einsatz von Fischgehegen im Bodensee mit einem punktuellen Eintrag von unerwünschten Stoffen (Fischfutter, Ausscheidungen, ggf. Medikamenten, …) und den damit verbundenen Auswirkungen/Anforderungen konfrontiert, die einer zukunftsorientierten Trinkwasserversorgung diametral entgegen stehen.

Die Sichtweise des Naturschutzes

Aus Sicht des Naturschutzes ist der Zielzustand des Bodensees so naturnah wie möglich – in Bezug auf den Zustand des Wassers, des Ufers und der Zuflüsse.

  • Der Bodensee ist ein von Natur aus nährstoffarmes Gewässer (Phosphorgehalt 6-8 μg/l).

  • Nur im Zielzustand eines von Natur aus nährstoffarmen Gewässers entfaltet der Bodensee seine Funktion als stabiler Lebensraum. Die an diesen Zustand angepassten Tiere und Pflanzen finden so am besten Nahrung und Lebensräume vor.

  • Wichtig sind intakte Flachwasserzonen und strukturreich bzw. natürlich gestaltete Uferbereiche.

  • Der heutige Zustand bildet die Basis für eine stabile, hohe Qualität des Bodensee-Trinkwassers.

  • Der wieder erreichte natürliche Nährstoffgehalt stellt einen wichtigen Sicherheitspuffer angesichts kommender Veränderungen durch den Klimawandel dar.

Die Sichtweise der Gastronomie

Die Gastronomie am See braucht den Bodenseefisch für seine Authenzität:

  • Zu den Produkten Wein, Gemüse, Obst ist der Fisch die Identität der Region. Der Bezug zum See erwartet ein Angebot an Fisch von hier.

  • Die heimische Küche braucht das regionale Produkt, sonst kann diese nicht mehr existieren.

  • Die Grundversorgung mit regionalem Produkt muss mindestens zeitweise gewährleistet sein.

  • Auch Aquakultur kann den heimischen Wildfisch nicht adäquat ersetzen.

  • Die Berufsfischerei am See muss erhalten bleiben.

Die Sichtweise des Tourismus

  • Sauberes / klares Gewässer d.h. hohe Wasserqualität: Natur bzw. natürlicher Zustand größtes und wichtigstes Interessenspotential für den Bodensee – Imagefaktor.

  • Freizeit / Wohlfühl-Möglichkeit durch Nutzung als Badesee bzw. für Sport oder Erholung (Schifffahrt-Weiße Flotte).

  • Regionale Produktion von Lebensmitteln in hoher Qualität sind Trends der Kulinarik und Profilierungsthema.